Samstag, den 29.09.07 - Dieses Gefühl
Kennst du dieses Gefühl auch? Wenn du in der Bahn sitzt, gelangweilt, umherschauend, dann fällt dein Blick auf dieses rote Etwas. Man nennt es auch Notbremse oder Notfallschalter. Der Notfallschalter hab ich bisher nur in Deutschland gesehen. In der Schweiz gibt es sowas nicht. Jedenfalls nicht bei den SBB-Zügen. Dies ist ein Knopf oder Hebel mit dem man eine Gegensprechanlage zum Fahrer in Gang setzt.
Auf jeden Fall kenne ich das Gefühl. Man sitzt gelangweilt in der Bahn, im Winkel dass man immer dieses rote Ding im Blick hat. Und immer wieder zuckt es in mir. Mal diese Dinger mit der Aufschrift "Missbrauch strafbar" zu betätigen. Einfach nur mal so, aus Spass. Ob jetzt die quängelnde Kinder im Abteil gegenüber schuld sind, oder die nervende nervöse Oma. Einfach mal betätigen und gucken wie´s alle auf´n Sack haut... Cool, nicht war?
An diesem besagten Samstag, sollte mir dieser Wunsch nicht länger verwehrt bleiben...
Ich war auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Ich war krank. Ich durfte eine halbe Stunde früher gehen, da nicht mehr allzuviel los war im Geschäft.
Ich habe am Hauptbahnhof grade um wenige Sekunden meine SBahn verpasst. Also wartete ich geduldig mehr als zwanzig Minuten auf den RegionalExpress.
Ich ergatterte mir noch einen freien Sitzplatz und döste sofort ein. Mir ging es wirklich nicht gut. Kurz bevor die entsprechende Haltestelle kam, wachte ich auf. Ich blieb noch kurz sitzen um die Ansage abzuwarten. Ich mache dies immer so. Als die Ansage schliesslich erklang und die Bahn auch schon langsam im Begriff war zu bremsen, stand ich auf. Ich war ziemlich wacklig auf den Beinen. Ich sehnte mich schon nach dem Sofa und endlich etwas liegen und Beine hoch. Mir ging es wirklich nicht gut.
Langsam schob ich mich Richtung Treppe. Denn der RegonalExpress ist Doppelstöckig.
Je näher ich der Treppe kam, hörte ich schon aufgeregte Stimmen am Diskutieren. Ich sah erst runter, konnte aber nichts genaues sehen. Ich dachte nur, dass mir einen Streit hier in der Bahn noch fehlt. Ich wollte nur noch nach Hause und das möglichst schnell. Ich hab mir schon überlegt ein Taxi zu nehmen.
Ich ging die Treppe runter. Die Türen öffneten sich und die Leute stiegen aus. Ich wollte das ebensolche tun. Ich schaute nur noch mal nach Links. Da stand eine ältere Dame, welche bitter weinte. Ich wollt schon vorbei gehn, konnte aber nicht. Ich drehte mich zu ihr um. Sie weinte immer mehr und schnappte nach Luft. Neben ihr stand ein jüngerer Typ welcher mir sehr unsympatisch erschien. Ich nahm meine letzte Energiereserve hervor, schaute ihn böse an, und fragte etwas forsch "was ist hier los?!". Der Typ machte sofort einen Schritt zurück und meinte er hätte nichts gemacht, sie hätte einfach plötzlich angefangen zu heulen.
Ich sprach sie nun direkt an. Keine Antwort. Sie stand nur da schnappte wieder nach Luft und heulte weiter. Ich griff ihr an den Arm und fragte nochmal etwas lauter. Sie meinte sie hätte Schmerzen in der Brust und könne nicht mehr atmen. Ich fragte sie ob sie einen Arzt bräuchte. Ihr war mittlerweilen alles egal und nickte nur noch.
In der Zwischenzeit waren alle Leute ausgestiegen, und einige stiegen grade ein.
Eine Frau bekam alles mit und bot sofort ihre Hilfe an. Wir legten die Dame bei der Tür auf den Boden. Plötzlich waren wir fünf oder sechs Personen die diesem hilflosen Etwas halfen.
Ich versuchte die Tür zu blockieren, da diese ständig zu ging. Energisch ertönte der Türsummer. Schliesslich sagte ich der einen Frau sie solle endlich dieses rote Ding mit der Aufschrift "Missbrauch strafbar" betätigen. Der Fahrer des Zuges meldete sich am anderen Ende. Sie berichtete ihm was passiert ist. Dieser informierte den Schaffner der dann endlich dazu kam. Er blockierte endlich diese scheiss Türe damit die offen bleibt.
Ich nahm mein Handy und rief die Feuerwehr. Der unfreundliche Herr am anderen Ende versprach mir sofort einen Notarzt zu schicken.
Inzwischen hatte ein anderer Herr den Ehemann der Frau gefunden, der zum Glück auch die Herztabletten mit sich führte. Verabreicht ging es der Frau auch gleich wieder viel besser.
"Auf Grund eines Notarzteinsatzes am Zug verzögert sich die Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit", ertönte es dann aus dem Lautsprecher der Bahn.
Kurze Zeit später war der Notarzt auch schon da und die Frau wurde aus der Bahn geborgen.
Der durchgeschwitzte und sich völlig am Ende befindender Schaffner nahm seine Trillerpfeiffe in den Mund, und schon schlossen sich die Türen und die Bahn fuhr mit zwanzig Minuten Verspätung weiter.
Ich wartete noch bei der Frau bis der Notarzt Sie etwas beruhigt hatte und verabschiedete mich dann auch endlich.
Mir ging es wirklich nicht gut. Ich beschloss trotzdem zu Fuss nach Hause zu gehen. Ich brauchte die frische Luft. Zittrig kam ich zu Hause an und durfte mich endlich aufs Sofa legen.
Und auch wenn ich nicht persönlich dieses rote Ding betätigen durfte, meine Sehnsucht war befriedigt und ich hoffe, dass ich es auch nie selber in Anspruch nehmen muss.